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DigitalDr. Beate Avenhaus

Dr. Beate Avenhaus

Vice President Corporate Patents, Infineon Technologies AG

Auch im Patentwesen nimmt KI eine immer größere Rolle ein und wird in den nächsten Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Die Arbeit eines Patentanwaltes wird sich wandeln und die Nutzung von KI unterstützter Software wird so selbstverständlich werden wie die Nutzung von Textverarbeitungsprogrammen.
Um das Verständnis der nachfolgenden Anwendungsfälle zu erleichtern, möchte ich kurz die wesentlichen patentrechtlichen Hintergründe erläutert: Bevor eine Patentanmeldung ausgearbeitet wird, recherchieren wir oft nach bekannten Patentschriften (sogenanntem „Stand der Technik“), um auszuschließen, dass die Erfindung bereits bekannt ist. Wenn eine Patentanmeldung in einer Jurisdiktion (z.B. USA oder Deutschland) eingereicht werden soll, formulieren wir eine Anmeldung und reichen sie beim jeweiligen Patentamt ein. Dort wird die Erfindung geprüft, und sofern sie patentfähig ist wird ein Patent erteilt. Möchten wir den Patentschutz auch in anderen Ländern erwirken, muss beim dortigen Patentamt die Anmeldung in der jeweiligen Amtsprache eingereicht werden, d.h. in der Regel sind Übersetzungen erforderlich

Nun zu den Anwendungsfällen:

(1) Im letzten Jahr sind wir in der Patentabteilung dazu übergegangen Übersetzungen von Patentanmeldungen (meist Englisch/ Deutsch oder Deutsch/Englisch) mit einer speziell für und von Patentanwälten entwickelten Software zu erstellen. Dabei ist zu bedenken, dass die Formulierung einer Patentanmeldung sowie die der Patentansprüche, die den Schutzbereich eines Patents definieren, sehr genau und präzise sein muss. Komplexe technische Sachverhalte werden mit entsprechenden Fachbegriffen beschrieben. Es bestehen also sehr hohe Anforderungen an die Qualität einer Patentübersetzung. Ein Übersetzungsfehler könnte für die Gültigkeit eines Patents signifikante Nachteile haben. Der Entscheidung die Übersetzungssoftware sowohl intern als auch bei unseren externen Patentanwälten standardmäßig einzusetzen ging eine intensive Testphase voraus. Hier zeigte sich, dass die Qualität zunehmend besser wurde, vor allem die Richtigkeit und Konsistenz der verwendeten Begriffe. Letztendlich konnten wir so eine signifikante Einsparung der sonst teilweise erheblichen Übersetzungskosten erzielen.

(2) Ein weiterer Testfall, der mich persönlich überrascht hatte, war die Verwendung einer KI unterstützten Recherche-Software in einem konkreten Anwendungsfall. Natürlich sind viele solcher Tools, bei denen mit Hilfe der KI sprachlich ähnliche Dokumente ermittelt werden, bereits seit längerem auf dem Markt und können beispielsweise für Patentrecherchen oder Patentportfolioanalysen eingesetzt werden. Aber auch hier muss man Überlegen und Testen, was für welchen Zweck wirklich hilfreich ist und für die jeweilige Problemstellung ein aussagekräftiges Ergebnis liefert. Ein „one fits all“ gibt es nicht. Rechercheur und Patentanwalt müssen, meist iterativ, eine geeignete Recherchestrategie entwickeln. Zurück zum Testfall: Wir hatten in das KI unterstützte Recherche-Tool im ersten Schritt eine kurze Beschreibung einer technischen Erfindung eingegeben, um nach Stand der Technik, d.h. bereits veröffentlichten Patentschriften, zu suchen. Das Ergebnis war negativ. Im zweiten Schritt formulierten wir für dieselbe Erfindung einen Patentanspruch und ließen das Tool erneut suchen. Nun fanden wir relevanten Stand der Technik und erkannten, dass unsere vermeintliche Erfindung bereits bekannt war und demnach nicht patentfähig war. Wir sparten uns die Kosten für die Einreichung einer Patentanmeldung.

(3) Unser derzeitiges Augenmerk liegt auf dem Testen von verschiedenen Tools, die zur automatisierten Ausarbeitung von Patentanmeldungen angeboten werden (sogenannte „Drafting Tools“). Auch hier muss die Genauigkeit der Sprache, die Erläuterung von komplexen technischen Zusammenhängen sowie die Spezifika der patentrechtlichen Formulierungen den professionellen Anforderungen gerecht werden. Derzeit besteht eine große Bandbreite der diesen Tools zugrundeliegenden Konzepte. Sie reichen von der automatisierten Unterstützung beim Entwurf einer Patentanmeldung, um den formellen und strukturellen Anforderungen gerecht zu werden, bis hin zur Verwendung von KI zur Erstellung der Beschreibung und der Patentansprüche. In unserer Praxis hat sich die Anwendung für die Überarbeitung von Patentanmeldungen für andere Jurisdiktionen als sehr nützlich und zeitsparend erwiesen. Wenn wir zum Beispiele nach einer ersten Patentanmeldung in den USA auch den Patentschutz in Deutschland beantragen wollen, wobei die formellen Anforderungen an eine Patentanmeldung in beiden Ländern etwas unterschiedlich sind, können wir die Anpassung automatisiert schneller und mit geringer Fehleranfälligkeit erledigen. Generell ist zu sagen, dass sich die Drafting Tools noch rasant weiterentwickeln werden, aber auch hier wird sich die KI in der Patentwelt langsam, aber sicher etablieren. Ebenso wird sich auch die zur Verfügung stehende Software zur Beantwortung sogenannter Prüfungsbescheide, in denen das Patentamt dem Anmelder einen Hinweis zur Patentfähigkeit der eingereichten Patentanmeldung gibt und ihm die Möglichkeit gibt die Anmeldung anzupassen, einzuschränken oder in andere Art zu erwidern, weiterentwickeln. Es gilt am Puls der Zeit zu bleiben, insbesondere für Patentanwaltskanzleien, um nicht ins Hintertreffen zu kommen und damit wirtschaftliche Einbußen hinnehmen zu müssen.

(4) Der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass auch die Nutzung von KI für die Erstellung von Klageschriften in gerichtlichen Patentstreitverfahren denkbar ist bzw. bereits von einigen Anbietern entwickelt wird. All diese Tools können auch mit Modulen konzipiert oder konfiguriert werden, die bei der Klärung von Rechtsfragen (z.B. mit einer Chat-Funktionalität) oder der Analyse von Fremdschutzrechten und Patentverletzungen unterstützen. Dabei können hohe Datenmenge in kürzester Zeit bearbeitet und analysiert werden. Auch hier stehen wir erst am Anfang der Entwicklung und einer Nutzung in der patentanwaltlichen Praxis. Eigene Erfahrungen hierzu habe ich allerdings (noch) nicht.

Zusammenfassend resümiere ich, dass sich die Arbeitswelt des Patentanwaltes ändern wird und KI Tools in der täglichen Arbeit sich weiter verbreiten werden. Durch die KI wird die Geschwindigkeit in der Dinge erledigt werden können, sich weiter erhöhen. Ebenso wie die zu verarbeitenden Datenmengen. Der Patentanwalt wird nicht obsolet, sondern seine fachliche Kompetenz und seine Fähigkeit kritisch zu hinterfragen, um patentrechtlich beurteilen und beraten zu können, werden noch wichtiger werden. Die KI kann ihn dabei unterstützen, aber die finale rechtliche Bewertung und Entscheidung muss beim Patentanwalt liegen. Diejenigen die KI nicht einsetzen, werden früher oder später ins Hintertreffen gelangen und folglich wirtschaftliche Einbußen erleiden.

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