"Ein Schlüsselelement ist Offenheit"
Die Deutschen haben es gern perfekt. Die Eidgenossen eigentlich auch, meint die Schweizer KI-Vordenkerin und Beraterin Dalith Steiger. Im Interview mit human erklärt sie, warum bei unserem kleinen Nachbarn manches etwas anders funktioniert.
Human: Was zeichnet die Schweiz als KI-Innovationsstandort aus?
Dalith Steiger: Was die Schweiz besonders macht, sind ihre Stärken in Forschung und Entwicklung, insbesondere in universitären Einrichtungen. Daraus entstehen viele Startups und Spinoffs. In der Schweiz gibt es viele KI-Startups, einschließlich des Einhorns Scandit. Das KI-Ökosystem des Landes profitiert erheblich von der ETH Zürich, die allein neun KI-Gründungen hervorgebracht hat.. Ein sehr starkes Ökosystem und die berühmte Triple-P-Partnerschaft (Public-Private Partnership) zwischen öffentlichen und privaten Sektoren fördern die enge Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie. Zusammen mit der politischen Stabilität und der hohen Lebensqualität, zieht das viele talentierte Köpfe und große Unternehmen wie Google, IBM, Oracle und Disney an, die ihre Forschungszentren in der Schweiz haben.
Und dann ist da noch Genf…
Ja, „International Geneva“. Akteure wie die UNO, die ITU und das WEF verwalten wichtige globale KI-Aktivitäten von der Schweiz aus.
Was die Bedeutung einer stabilen Infrastruktur für Innovation betrifft, können Sie das näher erläutern?
Eine robuste Infrastruktur, beispielsweise zuverlässige Internet- und Bahnanbindungen, ist ein Grundpfeiler für Innovation. Die Schweiz ist nun schon zum dritten Mal als weltbeste Infrastruktur gerankt und bietet somit eine solide Basis für Unternehmen und Innovation. Durch die besonders gute Konnektivität wird die Zusammenarbeit gefördert. Ein Unternehmer findet hier die ganze Wertschöpfungskette innerhalb einer dreistündigen Zugfahrt.
Welche Lektionen könnte Deutschland im Umgang mit disruptiven Technologien wie KI aus der Schweizer Erfahrung ziehen, insbesondere in Bezug auf Mindset und Unternehmenskultur?
Ein Schlüsselelement ist die Offenheit innerhalb und zwischen Unternehmen, die Förderung des Austauschs und des Lernens über Branchengrenzen hinweg. Darüber hinaus könnte der föderalistische Ansatz der Schweiz, der eine dezentralisierte Förderung von Innovationen ermöglicht, für Deutschland von Interesse sein. Ein gutes Beispiel ist die Stadt Hamburg, die in Deutschland ein Vorreiter in Projekten wie Smart City ist und eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierung und Wirtschaft fördert. Die Stadt hat auch erfolgreiche Veranstaltungen und Programme zur Förderung von Innovationen organisiert, oft in enger Zusammenarbeit mit der Regierung. Es gibt auch Personen und Organisationen, die sich aktiv für die Förderung des Ökosystems engagieren und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren fördern.
Sie sprachen von der Zusammenarbeit zwischen Firmen und Studierenden. Wie trägt das zur Talententwicklung bei?
Die frühzeitige Einbindung von Talenten ermöglicht es den Studenten, Spin-offs zu gründen oder ähnliche Projekte zu verfolgen. Diese Art von Kollaboration ist essenziell und zeigt die Konsens-getriebene Natur der Schweiz, die sowohl in Unternehmen als auch in Institutionen evident ist.
Das klingt sehr praxisorientiert. In Deutschland neigen wir eher zu einem zögerlichen Perfektionismus. Sind Schnelligkeit und Dynamik ein spezifischer Vorteil in der Schweiz?
Auch in der Schweiz sind wir durchaus perfektionistisch. Unsere konsens-getriebene Kultur fördert eine proaktive Herangehensweise. Wir sehen in der Schweiz eine immer stärkere Entwicklung Richtung 80/20 oder sogar dynamischer, was sich am Ende auszahlt, auch wenn es nicht sofort offensichtlich ist.
Bei der Veranstaltung "Expedition 2.0" in Wien wurden konkrete Anwendungsbeispiele präsentiert. Was war das Besondere daran?
Da waren teils zwei, drei Leute auf der Bühne aus verschiedenen Firmen aus der Schweiz und aus Österreich, die gemeinsam spannende Use Cases gezeigt haben, die sie zusammen in einer Partnerschaft hatten - der Integrator, der Solution Provider und der Kunde. Es ging darum: Genau das wollen wir sehen, oder da können wir voneinander lernen, da können wir ganz konkret unsere Erfahrungen teilen. Es ging nicht nur um Umsatz- und Effizienzsteigerung durch KI, sondern auch darum, bestehende Überzeugungen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle authentisch zu hinterfragen, um den Sprung auf die nächste Ebene zu ermöglichen. Da waren als Schweizer Startups drei Unternehmen beteiligt: Die Flowit AG, eine Digitale Plattform für Personalentwicklung und -bindung basierend auf einer Generativen AI, Copresence, ein Unternehmen, das mittels AI die Gesichter der Nutzer digital nachbilden kann sowie Next Hype, das mit AI-gestützten Tools arbeitet, um digitale Medien zu erschaffen.
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