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Das Ende der Wissensarbeit - oder der Anfang?  

Googeln Sie noch - oder »plexen« Sie schon? Die KI-Suchmaschine Perplexity wird immer beliebter. Im Juni verzeichnete das US-Startup Perplexity.ai rund 250 Millionen Anfragen. Auf längere Sicht könnte Perplexity sogar dem Marktführer Google Konkurrenz machen. Nach der jüngsten Finanzierungsrunde soll der Wert des Unternehmens, zu dessen Geldgebern unter anderem Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört, auf rund 8 Milliarden Dollar steigen.  

Perplexity kombiniert die Funktionen von ChatGPT und einer Suchmaschine: Man stellt eine Frage und erhält eine prägnante Antwort sowie Links zu relevanten Quellen. Die Suche kann auf bestimmte Quellen wie Nachrichtenseiten, wissenschaftliche Publikationen oder YouTube-Videos beschränkt werden. Außerdem durchsucht Perplexity das Internet tagesaktuell.  

Die KI-Suchmaschine zeichnet sich vor allem durch drei Dinge aus. Erstens ist die Bedienung sehr intuitiv und »menschlich«: Man stellt einfach eine Frage, wie man sie einem Freund oder einer Lehrerin stellen würde. Durch Nachfragen kann die Antwort vertieft und präzisiert werden. So kann man sich in wenigen Minuten einen strukturierten Überblick über ein ganzes Wissensgebiet verschaffen.

Zweitens schaffen die angegebenen Quellen Vertrauen. Wer will, kann die Antworten überprüfen, aber der Witz ist, dass man damit ziemlich schnell aufhört. Irgendwann fängt man an, der »Antwortmaschine« Perplexity selbst zu vertrauen. Das lehrt auch etwas darüber, wie Vertrauen in KI-Systeme funktionieren kann.

Drittens hat Perplexity verstanden, dass eine KI-Suche die Nutzer nicht entmündigen darf. Das Tool liefert keine endgültigen Antworten, sondern ermutigt zum Weiterfragen und Erforschen, auch in einem kollaborativen Prozess. So ermöglicht die neue Funktion »Perplexity Spaces« den Studierenden, Lernmaterialien, Webressourcen und Notizen zu organisieren und mit anderen zu teilen.  

Der KI-Suche gehört zweifellos die Zukunft. Menschen wollen Antworten auf ihre Fragen, ohne sich durch lange Linklisten klicken zu müssen. Das wird den Zugang zu Wissen radikal verändern. Gleichzeitig geht es aber auch darum, dieses Wissen effektiv zu verarbeiten und einzusetzen. Wer mit Perplexity experimentiert, lernt zum Beispiel schnell, die Antworten der Suchmaschine zu nutzen, um mit ChatGPT wiederum zuverlässigere Texte zu generieren. 

Das gibt eine Vorstellung davon, wie sich Wissensarbeit zur KI-gestützten Wissens-ver-arbeitung entwickeln wird. Gut möglich, dass KI-Agenten schon bald einen wesentlichen Teil davon übernehmen. Wir menschlichen »Wissensarbeitenden« werden dann keine Wissensarbeitenden mehr sein, sondern etwas anderes.

Es wird nicht mehr darauf ankommen, was wir alles wissen. Wir müssen vielmehr wissen, was wir nicht wissen. Entscheidend wird sein, was wir wissen wollen - wie neugierig wir sind. Wir werden keine Wissensarbeitenden mehr sein, sondern Entdeckende, die immer wieder neue Wissensräume erkunden. Das »Plexen» ist nur eine Vorstufe davon.   

 Intelligente Inklusion

Mitarbeitendengespräche sind oft für beide Seiten unbefriedigend. KI-gestütztes Coaching kann das ändern, glaubt die Psycholgin Yasemin Tahris, Co-Gründerin des Schweizer Startups FLOWIT.

human: Yasemin Tahris, wie entstand die Idee für FLOWIT?

Yasemin Tahris: Mein Mann leitet ein Handwerksunternehmen, und ich bin Arbeits- und Organisationspsychologin. Er hatte das Gefühl, dass er seine Mitarbeitenden nicht mehr richtig erreichte, besonders im Non-Desktop-Bereich. So entstand die Idee für FLOWIT, um Mitarbeitende besser einzubinden und Führungskräfte zu unterstützen. Später kam die Idee, KI einzusetzen, um den Prozess zu verbessern.

Ursprünglich war die Anwendung also nur für die eigene Firma gedacht?

Ja, genau. Aber inzwischen hat FLOWIT über 70 Kunden, darunter das Universitätsspital Basel, mit über 11.000 Nutzenden auf unserem System. Unser Team besteht mittlerweile aus 32 Mitarbeitenden, und wir haben bis letzten Sommer komplett eigenfinanziert gearbeitet. Dann haben wir Investoren hinzugezogen, um schneller zu wachsen.

Was macht die App genau?

Unsere App unterstützt bei Mitarbeitendengesprächen. Ein Chatbot stellt vorab Fragen an Mitarbeitende und Führungskräfte, um beide Perspektiven zusammenzuführen und das Gespräch vorzubereiten.

Und das Gespräch selbst?

Das Mitarbeitendengespräch bleibt von Mensch zu Mensch. Die App bereitet vor, hebt wichtige Punkte hervor und fördert den Dialog. Das Ziel ist ein konstruktiverer, persönlicherer Austausch ohne starre Bewertungssysteme.

Welche Technologie steckt hinter dem Chatbot?

Wir nutzen bestehende Sprachmodelle wie GPT und haben sie weiterentwickelt, um psychologische Aspekte besser zu integrieren. Dabei achten wir besonders auf den Datenschutz und anonymisieren alle Daten. Unser Fokus liegt auf einer sinnvollen und psychologisch fundierten Unterstützung der Gespräche.

Wie nehmen die HR-Abteilungen FLOWIT auf?

Sehr positiv. Die psychologische Perspektive unserer App wird sofort erkannt. HR-Abteilungen sehen uns als Unterstützung, die ihnen hilft, sich strategisch zu positionieren.

Und wie reagieren die Mitarbeitenden? Gibt es da Vorbehalte?

Wir arbeiten vor allem mit Menschen, die oft in herkömmlichen Systemen unterrepräsentiert sind, wie Küchenhilfen oder Handwerkerinnen. Sie schätzen es, dass sie überhaupt mal gefragt werden, besonders in ihrer eigenen Sprache – auch wenn es über einen Chatbot geschieht. Diese Inklusion ist ein wichtiges Element von FLOWIT.

Welche Rolle spielt die App im Vergleich zu menschlichem Austausch? Was kann sie, was ein Mensch nicht leisten kann?

Die App allein kann das nicht, und ich auch nicht. Aber gemeinsam können wir mehr erreichen. Die App hilft uns, Daten zu analysieren und psychologische Modelle anzuwenden, um Menschen optimal zu unterstützen.

Kann eure App helfen, Bias im HR-Bereich zu verringern?

Ja, daran arbeiten wir. Jeder Mensch hat Biases, sei es durch Kultur oder Erfahrung. Unsere App hilft, diese Biases zu erkennen und zu reflektieren. Wir entwickeln die App in diversen Teams, um viele Perspektiven einzubringen und wirklich inklusive Technologien zu schaffen.

Und was ist mit der Intuition erfahrener HR-Leute?

Diese Intuition ist wertvoll, stößt aber bei vielen Mitarbeitenden an Grenzen. Daten können sie ergänzen und validieren. Wenn ein HR-Verantwortlicher seine Erfahrung mit Daten stützt, wird er in der Geschäftsleitung ernster genommen. Es geht darum, Hypothesen mit Daten zu überprüfen – das ist wissenschaftliches Arbeiten.

Was lernen Sie selbst durch Ihre App über Ihre eigenen Mitarbeitenden?

Die App hilft mir, mich tiefer mit den individuellen Bedürfnissen meiner Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Sie erinnert mich daran, regelmäßig zu fragen: „Wie fühlst du dich bei der Arbeit? Wo möchtest du dich entwickeln?“ Natürlich finden viele Gespräche auch persönlich statt, aber die App strukturiert den Prozess und bringt oft Themen auf den Tisch, die im Alltag leicht untergehen.

Alexander Doll ist passiionierter multipler Aufsichtsrat, Senior

Dr. Yasemin Tahris ist Co-Founder von FLOWIT, Arbeits- und Organisationspsychologin, Unternehmerin und Dozentin. Sie verfügt über mehrjährige Erfahrung im Human Resource Management und in der strategischen Führung mittelständischer Unternehmen. Foto: privat

#IXD24

Unter diesem Hashtag firmierte der erste IPAI Experience Day   vergangenen Mittwoch in Heilbronn. 600 geladene Gäste aus Wirtschaft und Politik waren gekommen, um auf drei Etagen Impulse, Community Insights und Panels zu den Themen Technologie, Innovation und Human AI zu erleben – und mit viel Lust auf Transformation die schlechte Stimmung in der deutschen Wirtschaft aufzubrechen.

Danke Moritz Gräter, Veronika Prochazka und dem ganzen IPAI Team, dass ich im Namen von human dabei sein konnte! Es hat Spaß gemacht, eine Keynote über „Gute KI“ beizusteuern und Teil des Abschlusspanels „Perfection vs. Speed: Should We Really Strive for Human AI?“ zu sein. 

human gibt es jetzt auch im Abo (4 Ausgaben pro Jahr)

Unsere neue Ausgabe ist erhältlich im Shop (print und digital/ Deutsch und Englisch) sowie an allen Bahnhöfen, Flughäfen und im gut sortierten Zeitschriftenhandel.

Herzlich,

Ihre Dr. Rebekka Reinhard und Team

Dear non-German-speaking readers, you can now order the English e-paper version of human online at our shop or via Readly. We wish you an exciting, enlightening, and surprising read!

With best wishes –

Rebekka & Team 

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