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KI im Fenster

Es gibt viele gute Gründe, KI im Unternehmen einzuführen. Ein schlechter Grund ist, Mitarbeiter zu entlassen. Doch genau so könnte es kommen, erst recht, wenn der wirtschaftliche Druck weiter wächst. 

Laut einer Umfrage von PricewaterhouseCoopers erwarten 25 Prozent der CEOs weltweit für 2024 einen Personalabbau von fünf Prozent oder mehr – und zwar wegen generativer KI. Das ist insofern eine ziemlich dramatische Zahl, als sie auf den Angaben von Entscheidern beruht und einen recht kurzen Zeitraum betrifft. 

Es ist eine Sache, mehr oder weniger vage über die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt der Zukunft zu spekulieren, wie das zahlreiche Studien tun. Etwas ganz anderes ist es, wenn das Management für das laufende Jahr konkret plant, in größerem Umfang Personal »wegen KI« abzubauen. Da liegt die Vermutung nahe, dass es vor allem um Kosteneinsparungen geht.  

Management ist fokussiert auf Effizienz. Es betrachtet Arbeitsprozesse daher oft unter dem Gesichtspunkt, wie menschliche Tätigkeiten automatisiert werden können. In einer angespannten wirtschaftlichen Lage könnte der KI-Hype als Vorwand dienen, um teures Personal loszuwerden. Manager stehen derzeit unter erheblichem Druck, in Sachen KI schnell vorzeigbare Resultate zu liefern. 

Die Integration der Technologie kostet Zeit, Anstrengung und Geld, sie bringt gewohnte Abläufe und Strukturen durcheinander. Und niemand weiß im vorhinein, ob Mitarbeiter durch KI wirklich produktiver werden. Es liegt in der Logik von kapitalistischen Unternehmen, nach dem »return on investment« zu fragen. 

Mit Personaleinsparungen können Manager womöglich am schnellsten zeigen, dass sich die Investition in KI »ausgezahlt« hat, auch wenn die Folgen längerfristig fatal sind. Zugleich wächst die Versuchung, auf die Belegschaft Druck auszuüben, von Gehaltsverhandlungen bis zur Arbeitsbelastung. Die KI könnte zur »Rute im Fenster« werden, zur ständigen Drohung, dass man auf jemanden durchaus auch verzichten kann. 

Wenn Unternehmen KI auf ihr Automatisierungspotenzial reduzieren, dann wird das in bestimmten Branchen Jobs bedrohen, darüber sollte man sich keine Illusionen machen. Aber wie KI eingesetzt wird, das ist letztlich eine Management-Entscheidung. Wir können KI auch nutzen, um die Fähigkeiten von Menschen zu erweitern – und so die Produktivität zu erhöhen. 

Das ist der anspruchsvollere, mühsamere, aber letztlich erfolgsversprechendere Weg. Die größte Gefahr für unsere Jobs liegt nicht in der KI selbst, sondern darin, dass menschliche Manager es sich zu einfach machen – und sei es nur, um ihren eigenen Job zu retten.     

 "KI kann kreativer sein als wir" 

Kunst lässt sich nicht automatisieren, oder doch? Die Musikerin und Informatikerin Esther Fee Feichtner über kreativen Flow und Emotionen im Zusammenspiel mit KI. 

Human: Was bedeutet Kreativität für Sie persönlich?

Esther Fee Feichtner: Für mich bedeutet Kreativität die Möglichkeit, meinen Kopf auszuschalten und ganz im Moment zu sein. Besonders beim Improvisieren am Klavier kann ich die Zeit vergessen und in den »Flow« eintauchen.

Wie beeinflusst Ihre Arbeit mit KI-Tools diesen kreativen Prozess?

KI kann einerseits kreative Prozesse beschleunigen, beispielsweise beim Sound Design. Andererseits kann sie als Inspirationsquelle dienen. Zum Beispiel kann ich mit KI-basierten Tools anfangen, Lyrics zu schreiben, wenn ich die Melodie schon habe. Das hilft mir, schneller in den kreativen Fluss zu kommen.

Können Sie diesen Prozess näher erklären?

Nehmen wir eine Melodie als Beispiel. Künstliche Intelligenz könnte dabei helfen, diese Melodie in verschiedenen Musikstilen zu interpretieren. Sie bietet auch Unterstützung bei der Auswahl passender Akkordfolgen. Solche Tools können Entscheidungen erleichtern, die sonst viel Zeit und Überlegung erfordern würden.

Können auch Menschen ohne musikalische Vorbildung diese Technologien nutzen?

Ja, diese Demokratisierung findet auf jeden Fall statt. Es geht dabei ja nicht unbedingt darum, ein Meisterwerk zu erschaffen, sondern darum, die kreativen Möglichkeiten zu erweitern und mehr Menschen zugänglich zu machen.

Glauben Sie, dass KI kreativer sein kann als Menschen?

Ich weiß, dass ist eine provokante Aussage, aber ja, in gewisser Weise kann KI kreativer sein. Alles, was wir erschaffen, basiert auf unseren Erfahrungen und Eindrücken. KI hat den Vorteil, dass sie Zugang zu weitaus größeren Datenmengen hat und ohne Angst arbeitet.

Also könnte man sagen, dass KI uns hilft, unsere eigenen kreativen Grenzen zu überwinden?

Genau. Die größte Barriere für Kreativität ist oft die Angst, etwas Falsches zu tun. KI kennt diese Angst nicht und kann daher unvoreingenommen Ideen generieren. Dieses angstfreie Schaffen ist etwas, von dem wir Menschen lernen und profitieren können.

Wo liegt dann der menschliche Beitrag in diesem Prozess?

Der menschliche Beitrag bleibt zentral. KI kann zwar wunderschöne Melodien generieren, aber die emotionale Tiefe und die Spannungskurven, die Musik ausmachen, sind noch immer menschliche Domänen. Selbst wenn eine KI technisch dazu fähig wäre, fehlt ihr das empathische Verständnis, um uns auf einer emotionalen Reise mitzunehmen.

Haben Sie schon einmal ein von KI generiertes Stück gehört, das Sie emotional bewegt hat?

Ja, ich war einmal von einem KI-generierten Stück wirklich überrascht. Das war eine Art Filmmusik, in der Spannung aufgebaut wurde, mit einem Höhepunkt. Ich habe meine emotionale Reaktion dann sofort gebremst, weil ich ja wusste, dass es von einer KI kam. Ich dachte, es kann doch nicht sein, dass ich mich davon emotional so mitnehmen lasse… Mir war der Gedanke unangenehm, mich etwas hinzugeben, dass nicht mit Hingebung erschaffen wurde

Glauben Sie, dass KI eine neue Art von Musik oder einen neuen Stil kreieren kann?

KI kann sicherlich neue Impulse setzen und Stile kombinieren, wie etwa klassische Musik mit Metal. Aber um etwas völlig Neues zu schaffen, das auch den Menschen gefällt, muss es einen gewissen Grad an Vertrautheit geben. Komplett neue Musikrichtungen benötigen oft eine wissenschaftliche oder intellektuelle Faszination, um Akzeptanz zu finden.

Könnte KI zum Beispiel Heavy Metal in einer Weise transformieren, die für Fans unerwartet ist?

Absolut. KI ist sehr gut im Stiltransfer. Sie könnte Elemente aus verschiedenen Musikrichtungen aufnehmen und in Heavy Metal einbinden. Das könnte eine große Bereicherung für Musikliebhaber sein, da sie ungewöhnliche und innovative Kombinationen ermöglicht.

Welche kreativen Möglichkeiten wünschen Sie sich für die Zukunft? 

Die Arbeit mit KI ist derzeit noch sehr kognitiv und weniger emotional. Bei der Musik am Klavier erreiche ich viel leichter einen Zustand der Immersion, das Eintauchen in eine andere Welt. Ich stelle mir vor, dass Technologien wie Virtual Reality hier in Zukunft eine größere Rolle spielen könnten, indem sie eine neue Art der Immersion ermöglichen. Kürzlich habe ich mir selbst eine Oculus Quest 3 gekauft, also eine VR-Brille…

Immersion spielt eine zentrale Rolle im Gaming und in Virtual Reality (VR). Wie könnten KI und VR zusammenarbeiten, um eine immersivere kreative Erfahrung zu schaffen?

Ich sehe großes Potenzial in der Kombination von VR und KI. Beispielsweise könnte man in einer VR-Umgebung durch Veränderung von Objekten Musik erzeugen. Diese Art der Verschmelzung verschiedener Sinneswahrnehmungen könnte, ähnlich wie bei der  Synästhesie, durch KI auf neue Weise ermöglicht werden.

Wie wichtig ist es für Sie, dass Sie selbst die Urheberin eines Musikstücks sind?

Urheberschaft ist sehr wichtig, besonders wenn man das Gefühl hat, dass ein Teil von einem selbst in das Werk eingeflossen ist. Auch wenn KI bei der Entstehung eines Werks beteiligt ist, sollte der menschliche Beitrag anerkannt und wertgeschätzt werden.

Was sind Ihre größten Hoffnungen und Befürchtungen zur Zukunft der KI?

Meine größte Befürchtung ist, dass wir zu unvorsichtig mit der Entwicklung der KI umgehen und nicht innehalten, wo es nötig wäre. Meine Hoffnung ist, dass KI in allen Bereichen, wie zum Beispiel in der Medizin, genutzt wird, um uns von Routineaufgaben zu entlasten. Dies würde uns wieder die Zeit und Muße geben unsere echten menschlichen Fähigkeiten wie Empathie einzusetzen.

Alexander Doll ist passiionierter multipler Aufsichtsrat, Senior

Esther Fee Feichtner ist Musikerin und Informatikerin. Derzeit leitet sie das Digitalisierungskolleg AICA (Artificial Intelligence in Culture and Arts) in München, das sich mit der Integration von KI in Kunst und Kultur beschäftigt. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf der Timbre-Analyse in Audiosignalen mit Feature-basierten Ansätzen und optimierten künstlichen neuronalen Netzen. Foto: privat

 Ist Ihnen schon aufgefallen...

...dass ChatGPT4 in der kalten Jahreszeit langsamer, um nicht zu sagen »fauler« wird, wie kürzlich berichtet wurde? Es könnte aus seinen Trainingsdaten gelernt haben, dass Menschen im Winter weniger Energie haben oder am Freitag weniger Lust auf Arbeit. Das passt zur Beobachtung, dass das Modell auf Trinkgeldangebote reagiert. Möglicherweise lernt ChatGPT4, sich wie ein Mensch zu verhalten (und zwar nicht nur verbal, sondern im gesamten Kommunikationsverhalten), um seine Zielfunktion zu optimieren: einen möglichst menschenähnlichen Dialog zu führen.

Heißt das aber auch schon, dass das Modell intern auch menschliche Motivationsstrukturen und Gewohnheiten nachbildet? Wohl eher nicht. Oder doch? Das bleibt abzuwarten.Inzwischen können Sie mich am 7. März auf einem der größten und prominentesten Data-und KI-Events des Jahres, der data unplugged treffen, wo ich über KI aus humanistischer Perspektive spreche und mit Protagonistinnen und Protagonisten der Tech-Szene diskutiere.

Wie gefällt Ihnen unsere neue Ausgabe? Haben Sie Fragen, Kritik, Wünsche? Ich freue mich, von Ihnen zu lesen: rebekka.reinhard@human-magazin.de

Herzlich, 

Ihre Dr. Rebekka Reinhard und Team 

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